Heute ist Reformationstag. Es wird der Kirchenspaltung gedacht. Diesem Schisma folgten verheerende Religionskriege. Heute ist gleichfalls Halloween. Ein Tag des Schreckens. Eine gute Gelegenheit, an die großen Katastrophen der Menschheitsgeschichte zu erinnern.
Bisher ist man davon ausgegangen, dass die größte Katastrophe auf Erden ein Vulkanausbruch vor 74 000 Jahren gewesen ist. Neuere Forschungen sehen nun aber ein noch früheres Ereignis als das ultimative Armageddon der Menschheitsgeschichte an.
Wie gesagt, es passierte vor 74 000 Jahren als der Vulkan Toba auf Sumatra explodierte. Er blies Asche und Schwefel in die Atmosphäre, es wurde kalt. Nur wenige Tausend Menschen sollen damals weltweit überlebt haben.
Jetzt gibt es Hinweise auf eine weitere Superkatastrophe, die die Folgen des Vulkanausbruchs noch in dessen Asche-Schatten stellen könnte.
Der Biologe Wang jie Hu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften hat vor Kurzem mit seinem Team im Wissenschaftsmagazin Science berichtet, dass es im Erbgut heutiger Menschen Hinweise gibt, dass es vor etwa 930 000 Jahren einen sehr engen genetischen Flaschenhals gegeben haben muss.
Das würde bedeuten, der Großteil der damaligen Urmenschen muß damals zugrunde gegangen sein. Betroffen waren Menschenarten wie Homo erectus, Homo heidelbergensis und Homo antecessor. Diese menschlichen Spezies gelten als Vorläufer des Homo Sapiens, aber auch von Neandertalern und der Gruppe der Denisovanern. Sie müssen am Rande der Auslöschung gestanden sein. (Im Übrigen sehen viele Protestanten auch die Katholiken als Vorläufer ihrer Konfession - doch dies nur am Rande des Abgrunds).
Die Wissenschaftler untersuchten Gensequenzen von ca. 3000 lebenden Menschen aus zehn afrikanischen und vierzig weltweiten, nichtafrikanischen Bevölkerungsgruppen. Mithilfe neuster Methoden untersuchten die Genforscher dann die Unterschiede zwischen den Genabschnitten und zogen so Rückschlüsse darauf, auf welche Vorläufer die heutzutage aktuellen entsprechenden Gene mit großer Wahrscheinlichkeit zurückzuführen sind und wie viele fortpflanzungsfähige Menschen es damals gegeben haben muss.
Die Untersuchungen ergaben, dass vor 930 000 Jahren innerhalb eines kurzen Zeitraumes knapp zwei Drittel der genetischen Vielfalt verloren gegangen sind. Von knapp 100 000 fortpflanzungsfähige der damals auf der Erde lebenden Urmenschen, seien 98,7 Prozent gestorben. Danach hätten im Schnitt 117 000 Jahre lang nur noch 1280 fortpflanzungsfähige Individuen gelebt, bevor vor etwa 813 000 Jahren die Bevölkerungszahlen dann wieder erheblich anstiegen.
Was kann die Ursache diese Dezimierung zum Äußersten gewesen sein? Antworten können heute nur spekulativ ausfallen. Es gibt jedoch einen Zusammenhang zu den damaligen Klimabedingungen, darauf weisen prähistorische Umweltstudien hin. Der genetische Flaschenhals falle nämlich zeitlich mit sehr heftigen klimatischen Veränderungen zusammen. Die Erde kühlte ab, Vergletscherungen nahmen zu und verstärkten sich. Auch die Meerestemperaturen sanken. Es kam zu Dürren. Tiere, von denen sich die Urmenschen ernährt hatten, starben aus.
Die vielleicht interessanteste Spekulation: Der genetische Flaschenhals habe sogar dazu beigetragen, langfristig den Homo Sapiens hervorzubringen. Womöglich habe sich damals aus zwei Vorläuferchromosomen das Chromosom Zweigebildet, das Menschen heute von allen anderen noch lebenden Menschenaffen unterscheidet. Diese Änderung habe sich dann vor Zeiten in der kleinen übriggebliebenen Population genetisch durchgesetzt und mit ihr der Urkatastrophe resistente gemeinsame Vorfahre von Homo Sapiens, Neandertalern und Denisovanern.
Offene Fragen bleiben natürlich. Wie ist es den Vormenschen gelungen, überhaupt zu überleben? Denn je kleiner eine Population, desto gefährdeter ist sie ja. Selbst Populationen mit einigen Tausend fortpflanzungsfähigen Individuen laufen Gefahr, auszusterben. Sie ist einfach zu klein, um zu überleben. Die Neandertaler in Europa sind ein Beispiel dafür. Falls das Szenario aus China stimmt, hätten unsere Vorfahren sehr viel Glück gehabt.
(Morgen ist Allerheiligen, Feiertag. Der erste Tag des tristen, grauen, dunklen Novembers. Aber auch ein weiterer Tag einer Lotterieziehung mit Menschen glücksuchender Gene.)