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Der chinesische Politiker Zhou-Enlai soll um das Jahr 1970 gesagt haben, es sei noch zu früh, die Bedeutung der Französischen Revolution von 1789 zu beurteilen, eine der Geburtsstunden demokratischer Staatenbildung. Dass Menschen altern und sterben wissen wir. Doch auch ganze Staatengebilde können gebrechlich werden bis zur Auflösung.

Im jugendlichen Alter habe ich Musik von den Pet Shop Boys gehört. Sie veröffentlichen heute immer noch Aktuelles, kürzlich ein Stück mit dem Titel Kaputnik. Der Forschungszweig, welcher sich mit dem Verschwinden ganzer Staaten beschäftigt, heißt Kollapsologie.

Je älter ein Mensch wird, desto höher ist das Risiko, zu erkranken oder zu sterben. Den Statistiken nach steigt die Sterblichkeit des Menschen bis zum Alter von 80 Jahren mit exponentieller Dynamik an.

Forscher von der Universität Wageningen in den Niederlanden haben bei Staaten nun einen ähnlichen Prozess der Erschlaffung festgestellt. Auch Gemeinwesen altern bis zum Kollaps. Das schlossen die Forscher aus einer Analyse untergegangener Reiche. Nach ca. 200 Jahren ist das Risiko eines Zusammenbruchs am höchsten. Das individuelle 80 ist also das neue gemeinschaftliche 200! Gemeinwesen werden mit fortschreitendem Alter gebrechlich wie der Mensch.

Dazu werteten die Wissenschaftler Daten zu mehr als 600 historischen Gemeinwesen aus, in einer Zeitspanne zwischen 2000 vor Christus und 1800 nach Christus. Sie stießen auf ein Muster: Gegründet und dann später untergegangen nach immer schwieriger werdendem Verlauf von jeweils ca. 200 Jahren. Die nach der Gründung noch jungen Gemeinwesen seien stabil, als verfügten sie über eine Art Bonus der Jugendlichkeit. Wenn dann Staaten älter werden, reduzieren sich die Fähigkeiten, adäquat auf Katastrophen, Invasionen und andere Herausforderungen zu reagieren.

Wir wissen, der menschliche Körper benötigt mit fortschreitendem Alter mehr Zeit, um sich von Verletzungen zu erholen. Und auch Staaten brauchen gleichsam lange, um nach Krisensituationen wieder zur Normalität zurückzukehren. Der Alterungsprozess beschleunige sich im Laufe von zwei Jahrhunderten; in dieser Zeit steige das Risiko, dass ein Staat untergeht. Und diese Steigerung verlaufe ebenfalls in exponentiellen Schritten.

Es sind verschiedene Effekte, die Staaten altern lassen. Etwa zunehmende Umweltschäden wie Abholzung oder Erosion der Böden nach intensiver Nutzung. Auch die Folgen von Überbevölkerung, Invasionen von außen, gehören zu den Effekten. Zudem Ungleichheit, immer komplexer und dadurch anfälliger werdende Formen der Organisation und Institutionen, welche dem Ende zu nur noch dem eigenen Selbstzweck dienen. Auffällig sind Entscheidungen, die nicht mehr im Interesse aller sind, sondern lediglich zum Wohle nur noch weniger, sozusagen allein zugunsten einer Elite weit oben.

Eine Frage drängt sich auf: Ob es auch in unseren Gemeinwesen bereits Anzeichen eines drohenden Zusammenbruchs gibt. Und die Frage, wie lange das noch gut geht?

Auffällig bis zur Hinfälligkeit sind die Parallelen der mit fortschreitendem Alter immer störanfälligeren Zellen im menschlichen Körper zu den zunehmenden Ansprüchen und dem dekadenten Gebaren, diesem Gewese unzähliger Bevölkerungszellen in Humangestalt innerhalb der Körperschaften. So sei es dann gewesen: Quod erat demonstrandum.

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