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Im Kopf muss Wissen nicht unbedingt vorhanden sein. Es gilt doch, und in Zeiten von google und wikipedia umso mehr, zu wissen, wo und an welcher Stelle das Gesuchte zu finden ist. So kommt es zum Beispiel bei der Internetrecherche darauf an, in Suchmaschinenmasken passende Begriffe und Fragen einzugeben. Das kann mehr Intelligenz voraussetzen, als ein wandelndes menschliches Lexikon vorgibt diese zu haben. Einen Wissensgolem braucht niemand.

Bei meiner aktuellen Freizeitlektüre habe ich eine Passage gefunden, welche für mich eine Bestätigung eines sehr subjektiven Wissens ist, in Erinnerung als ich vor Tagen beschäftigt gewesen war, meinen Hausrat zu ordnen und aufzuräumen.

„In der dritten Woche nach Alissas Verschwinden machte sich Roland daran, Ordnung in die überquellenden Buchregale um den Tisch gleich neben der Küche zu bringen. Bücher aufzuräumen ist nicht einfach. Sie lassen sich schwer wegwerfen. Sie widerstehen. Für die aussortierten, die in einen Secondhandladen wandern würden, stellte er einen Karton hin. Nach einer Stunde enthielt er zwei veraltete Reiseführer. In manchen Büchern steckten Zettel oder Briefe, die gelesen werden mussten, ehe sie zurück ins Regal wanderten; in anderen fand er liebevolle Widmungen. Manche Bände waren alte Bekannte, die man nicht einfach aus dem Regal ziehen konnte, ohne sie aufzuschlagen und noch einmal zu kosten – einige Zeilen der ersten Seite oder irgendwo aus der Mitte. Bei einer Handvoll handelte es sich um Erstausgaben, die verlangten bewundert zu werden. Er ist kein Sammler – dies waren Geschenke oder Zufallskäufe.“ 

Lektionen von Ian McEwan

 

Im Verlauf des Romans zitiert McEwan seinerseits aus mehr oder weniger bekannten Erzählungen. Die Vorstellung ist wunderbar, ganze Lebensgeschichten immer wieder rekapitulierend aus Büchern zu füllen, einer russischen Babuschka Puppe nicht unähnlich. Für diese Vorstellung reicht es aus, ein Literatenfreund, weniger ein Bücherwurm zu sein.

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