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Der Philosoph Thomas Nagel vermutet, dass der Glaube an einen Gott die Überzeugung des Menschen ausdrückt, die Welt wie wir sie wahrnehmen, sei verstehbar. Allerdings nicht für die Menschheit, für eine höhere Instanz jedoch schon. Diese sei uns dann unterm Strich sogar wohlgesonnen, negiere unseren Tod und vertröste uns, betreffend der irdisch begrenzten Vorläufigkeit. Denn anders sei unser Leben doch eigentlich jeder Sinnhaftigkeit beraubt. Mit der Gottesidee bekommt das Leben so den ersehnten Sinn. Ein Wissen über die Existenz Gottes ist gar nicht nötig. Allein der Glaube und die Vorstellung darüber reicht aus, um das absurde Leben akzeptieren und annehmen zu können.

Die Profiinterpreten und Vermittler einer Religion, die Theologen und Priester erinnern uns bei ihren Predigten und ihren uns angetrauten Diensten hin zu Gott und hin zur Wahrheit stets an diese Rollenverteilung: Hier der unwissende Mensch - dort die göttliche Allmacht und die absolute Gewissheit. So auch das Kommunikationsniveau: Dort die Schafe, hier der Hirte, dort die Menschenkinder, hier der Vater. Gottesdienste und Morgenandachten im Radio mit ihrer kindlichen Sprache versetzen einen augenblicklich in Kitasituationen der eigenen Vergangenheit, so wird man wie früher auf die Seite der bedürftigten Ohnmacht platziert.

Warum setzt sich ein mit Vernunft ausgestatteter Mensch solch einer, ja, Erniedrigung aus?  Eine lebenssinnstiftende Macht ist einerseits unermesslich attraktiv für eine sich beschränkt fühlende Kreatur. Die konkrete Botschaft ist mehr oder weniger egal. Als weitere Offerte gibt es noch die übermächtige Vaterfigur. Auch im reifen Menschenalter ist sie an- oder zumindest scheinanwesend.

Schließlich ist da der Ausgleich für das Minderwertigkeitsgefühl im Verhalten gegenüber den Co-Lebewesen. Minderwertigkeit wird mit dem Mittel der Selbstüberschätzung ausgeglichen. Über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg betrachtet, verstärken alle Religionen Widerwertigkeiten und zerstörerisches Handeln im menschlichen Miteinander. Es passt eben zusammen, einerseits die Frömmigkeit, andererseits Gefühle von Furcht, Neid, Hochmut, Starrsinn etc. als gewichtige Eigenschaften des Menschen. Gegebenheiten, die auch im säkularen Alltag immer wieder zu beobachten sind: Nach oben buckeln, nach unten treten.

P.S.: Dieser Beitrag wurde heute nach einer knapp vermiedenen Kollision morgens im Straßenverkehr auf dem städtischen Kirchplatz verfasst. Ein pferdestarkes Automobil rechtsabbiegend, ich meine sogar im Innern den Weihbischof an der Lenkradkanzel erkannt zu haben, hatte dem Mindermotorisierten gegenüber, klassisch, seine Ausweichpflicht (im Dänischen: vigepligt - das Wort für Vorfahrt gibt es dort nicht) links liegen gelassen und mich beinahe auf klerikale Art missioniert, also überrollt. Vielleicht schreibe ich zeitnah über einen deutschen Kraftfahrzeug-Führer, der sich in meiner Vorstellung allmorgendlich sein zu beschneidendes Gesichtshaar mit rechter Führhand und mit einer Braun-Apparatur auf Linie und ins Lot bringt.

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