χρ τ + _ 21

Nichts beginnt zu der Zeit, zu der man es glaubt.

Ob Schule oder Universität, die Wissensgebiete sind in Lehre und Forschung getrennt, in Fächern und Fakultäten, in Natur- und Sozialwissenschaften zum Beispiel.

Spannend wird es bei den Schnittmengen, die erkennbar sind in Sätzen wie oben: „Nichts beginnt zu der Zeit, zu der man es glaubt.“ Spannend ist auch so ein Schnittmengenwort. Bezeichnet es doch die Spannung zwischen zwei Polen, zwei Enden im physikalischen Sinne. Aber auch im psychologischen Sinne wie: die angespannten Nerven, typisch die Spannung in der Kriminalliteratur, in der Filmwissenschaft.

Zurück zum Anfang: Wenn eine Liebe beginnt, beginnt sie früher als es der Anschein offenbart. (Das macht übrigens die ‚Liebe auf den ersten Blick‘ so spannend.) Wenn ein Krieg ausbricht, beginnt er früher als mit dem ersten Schuss. Wenn das Klima sich verändert, beginnen die Umweltschäden früher, nicht erst mit dem ersten Kipppunkt. Die Liste der Beispiele ist unendlich, lange bevor, nein, nachdem das Ende erreicht ist.

„Dass Federn den Vögeln beim Fliegen helfen und eine Lunge den Tieren das Leben an Land ermöglicht, ist allgemein bekannt. Solche Vorstellungen sind logisch, naheliegend und - falsch. Das wissen wir schon seit über einem Jahrhundert.

Das gar nicht so geheime Geheimnis lautet: Biologische Neuerungen entstehen nie im Laufe der großen Umwälzung, an die sie gekoppelt sind. Die Federn entstanden nicht während der Evolution der Flugfähigkeit, und ebenso wenig entwickelten sich Lunge und Gliedmaßen während des Übergangs vom Wasser zum Land. Und nicht nur das: Diese und andere große Revolutionen in der Geschichte des Lebens hätten sich auch nicht auf andere Weise abspielen können.

Große Veränderungen mussten nicht darauf warten, dass viele Erfindungen gleichzeitig stattfanden. Sie kamen vielmehr dadurch zustande, dass alte Strukturen neuen Verwendungszwecken zugeführt wurden. Innovationen haben Vorläufer, die weit in der Vergangenheit zurückreichen. Nichts beginnt zu der Zeit, zu der man es glaubt.“

Neil Shubin, Die Geschichte des Lebens: Vier Milliarden Jahre Evolution entschlüsselt

Sprachauswahl

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.