Nicht Job- sondern aktuelles Topangebot: Staatliche Reisekosten und private Entfernungspauschalen im Sinne einer klassischen win to win Situation werden jetzt zur Marktreife gebracht. Denn das gesamte System der Arbeitslosenverwaltung ist ein einziges und riesiges sponsoring system. Fördern und Fordern zur gegenseitiger Imageverbesserung.
Warum also dieses erfolgreiche System nicht um eine konkrete Reisekostenpauschale im Regelsatz zur Feststellung der Bedürftigkeitshöhe ergänzen, spätestens zur nächsten Saisonangleichung oder, denn da doch immer Saison ist: jetzt, gleich, sofort! Der Sinn des Ganzen liegt ganz nah und nicht in der Ferne.
Möller - damals und heute
Eine Zeitreise, weitere 202 Jahre zurück in das Jahr 1786. In Karlsbad, heute Karlovy Vary (Tschechien), schmeißt der 37 jährige Johann Philipp Möller inmitten einer Burn-out-Reha aus freien Stücken seine Arbeit hin, er steht in Diensten des Kleinstaates Weimar, um an einem kühlen Septembermorgen gegen Süden eine Reise anzutreten, ebenfalls nach Italien. Wir können nur spekulieren, ob er sich seines frischen Arbeitsplatzverlustes schämte oder lediglich weit der Heimat seine Prominenz schützen wollte, er reiste unter obigen Namen, einem falschen freilich. Experten, die sich von Beginn an näher mit der Sache beschäftigt haben, vermuten mit guten Gründen bis heute eher Letzteres.
Zwei italienische Reisen mit zwei sehr unterschiedlichen Ausstrahlungen bis in unsere Gegenwart hinein. Hier der geistig arme Kleinbürger mit sicherem Arbeitsplatz und gut gefülltem Geldbeutel, jedoch engem Herzen und einer zur Wut geballten Faust. Dort im Kontrast der Lebens- und Reisemut eines sich vom Arbeitgeber emanzipierten Mannes mit sich öffnender Brust für neuen Lebensatem, der die Faust lediglich zum Ideengeber einer zur Weltberühmtheit werdenden Literaturfigur erheben wird.
Nennen wir den einen Reisetypen in vereinfachter Form „Erwin Löffler“, den anderen, ohne ihn näher zu differenzieren, also pauschal, „Johann Philipp Möller“. Mit wem würden Sie gerne eine Reise antreten, von wem würden sie ihr Heimatland repräsentiert sehen, mit wem von beiden ein Doppelzimmer teilen oder eine Reisebroschüre gestalten wollen? Nach reiflich tiefer, ursächlicher Überlegung möchte ich dann doch für Herrn Möller werben. Und das nicht wegen des ihm zugeschriebenen Zitats „Mailand oder Madrid - Hauptsache Italien“, welches ja auch ehrlicherweise einem Namensvetter und Fußballspieler unserer Tage trotz ähnlich hoher Sprachqualitäten zugewiesen werden muss ... und nicht ihm.
Fördern durch Sponsoren
Hinter dem "Ihm" steht Er, der Typus Möller, dieser neue Reisebotschafter unseres Landes, welches nun ins Zeitalter der Digitalisierung eintreten wird. Diese aufregende Zeit wird Arbeit im großen Stil vernichten, genauer gesagt in großer Menge aber mit schlechtem Stil. Umso notwendiger wird es sein, dass Image zu verbessern, dass Protzige und Vulgäre, das Engherzige zu nehmen, das ihm anhaftet.
Bestens geeignet dazu wird sein der mit einer gültigen Ferienkostenpauschale gesponserte Arbeitslose, der neue Tugenden der Bescheidenheit und nachhaltiger Haushaltsführung über unsere Landesgrenzen tragen wird. Die Kommunikations- und Marketingziele des grenzenlosen Neoliberalismus werden neue Qualitätsstufen erreichen und der heimkehrende Urlauber ohne Erwerbsarbeit wird sich seinerseits mit frischem von der Urlaubssonne aufgetanktem Selbstbewusstsein in die Warteschlangen der Tafeln einreihen, diesmal weitaus disziplinierter und mit guten Reiseerinnerungen im Kopf, kurzum mit der wiedergewonnenen Würde eines Heimkehrenden. Ja Würde - darum ging es doch unlängst beim Verteilungskonflikt rund um die Essener Tafel. In Essen(!) während der vorösterlichen Fastenzeit (!). Nichts ist komischer als das Leben selbst.
Zum Schluss eine Anmerkung zur Frage nach der wahren Identität des Herrn Johann Philipp Möller, die manchem ein Rätsel geblieben sein könnte. Sie lässt sich vielleicht durch den Hinweis beantworten, dass die offiziellen kulturellen Auslandsvertretungen Deutschlands seinen richtigen Geburtsnamen tragen, derzeit in mehr als 100 Ländern. Gut, den Zusatz von bekam er für spätere Lebensleistungen verliehen, was aber wiederum nur zeigt, wozu zeitweilige Erwerbslosigkeit auch nützlich sein kann, zur individuellen Imageaufbesserung. Der arbeitslose Mathematiker würde jetzt so schließen, also tue ich’s ihm nach: "Q.E.D.", d.h. in gutem Goethe-Deutsch und Übersetzung, "Was geboten war, nachgewiesen zu werden".