Man kennt es, das dauernde Werten, Urteilen über Dinge, über Menschen, deren Verhalten. Jederzeit eine Meinung! Dieses Vorgehen geschieht meistens zwischenmenschlich – geht aber auch in dieser individuellen Variante:
„Warum drängt es die Gegenwart ständig, über die Vergangenheit zu urteilen? Sie muss ziemlich neurotisch sein, diese Gegenwart, die sich der Vergangenheit überlegen fühlt und dabei die nagende Furcht nicht loswird, dass sie es womöglich doch nicht ist.
Und dahinter steckt eine weitere Frage: Woher nehmen wir uns das Recht zu einem Urteil? Wir sind die Gegenwart, das ist die Vergangenheit: In der Regel genügt das den meisten von uns. Und je ferner die Vergangenheit rückt, desto reizvoller wird es, sie zu simplifizieren. Wir können ihr vorwerfen, was wir wollen, sie wehrt sich nie, sie bleibt immer stumm."
Julian Barnes, Der Mann im roten Rock