χρ τ + _ 104

Blick in die Glaskugel. In der Zukunft werden uns enorme Rechenkapazitäten zur Verfügung stehen, sofern der technische Fortschritt so weitergeht und nicht durch irgendeine schwerwiegende Katastrophe zum Erliegen kommt.

Demnach müsste es eines Tages möglich sein, dass unsere Rechenkapazitäten so groß werden, dass wir menschliches Bewusstsein in Computern erzeugen können. Dies wäre der Schritt ins posthumane Zeitalter. Einigen Wissenschaftlern zufolge ist es nur noch eine Sache von wenigen Jahrzehnten. Der genaue Zeitpunkt ist für unsere Überlegungen allerdings nicht wichtig, denn dass wir in einer Simulation leben, wäre ebenso möglich, wenn eine derartige posthumen Ära noch hunderttausende von Jahren in der Zukunft läge.

Unsere Spezies könnte natürlich aussterben, bevor wir das posthumane Stadium erreichen, weil wir beispielsweise einen riesigen Meteoriten entdecken, der auf die Erde zurast. Dann spräche das wohl für unser Menschheitsende. Wenn wir aber nicht aussterben und das posthumane Stadium erreichen, hätten wir dann nicht mit äußerst hoher Wahrscheinlichkeit ein Interesse, Simulationen der menschlichen Spezies ins Leben zu rufen? Schon allein zu Forschungszwecken oder aus schierer Neugier oder allein aus dem ewigen Bedürfnis heraus uns selbst besser zu verstehen?

Wir könnten mit Hilfe von Ahnensimulationen alternative Verläufe der menschlichen Evolution in Erfahrung bringen. Eine erstaunliche Vorstellung. Zudem eng verwandt mit den Theorien der Quantenphysik und der Annahme der Existenz unendlicher Paralleluniversen.

Andererseits wäre es möglich, dass solche Ahnensimulationen in unserer posthumanen Zukunft verboten wären, da die posthumanen Wesen den Bewohnern ihrer Simulationen kein Leid zufügen möchten. Aus unserer heutigen Sicht ist allerdings unklar, ob die Erschaffung einer menschlichen Spezies als unmoralisch gelten könnte. Neigen wir doch auch dazu, die Existenz unserer Art als äußerst wertvoll anzusehen.

Die Übereinstimmung moralischer Ansichten, Stichwort wertvoll, wäre zudem nicht genug. Hinzukommen müssten soziale Strukturen, die die als unmoralisch betrachteten Ahnensimulationen wirksam verhindern würden. Eine weitere Möglichkeit bestünde darin, dass nahezu alle posthumanen Individuen in nahezu allen posthumanen Zivilisationen, kein Interesse an Ahnensimulationen hätten. Diese müssten sich dann aber erheblich von denen ihrer menschlichen Vorgänger unterscheiden.

Wir verwenden bereits jetzt in nahezu allen Bereichen Simulationen primitiveren Ausmaßes, sei es in der Forschung, der Kunst, der Wirtschaft und nicht zuletzt (er)finden wir sie als spielender Mensch in spielerisch-simulierenden Situationen im Kindesalter. Nehmen wir also an, dass wir in einer Simulation leben, dann würde der beobachtbare Kosmos also nur einen Bruchteil der Gesamtheit alles Physischen darstellen. Die Physik des Universums, in dem sich der uns simulierende Computer befände, könnte der Physik unserer Welt ähneln oder auch nicht. Und obwohl die uns umgebende Welt in gewisser Weise real wäre, handelte es sich bei ihr dann nicht um eine substanzielle Ebene der Realität, da Objektivität fehlen würde.

Der griechische Philosoph Plato wusste um das Wissen, dass wir Menschen gar nichts wissen können. Leben wir also nun in einer Simulation oder nicht? Allein die Frage, mag so mancher denken. Andererseits hat man selbstverständlich jedes Recht, so eine Frage zu stellen. Nur wird man nicht weiterkommen, als sie lediglich stellen zu können. Die Frage allein bringt uns keinen Schritt weiter. Immanuel Kant würde sagen, wenn die Welt eine Simulation wäre, dann wäre der Mensch sich seiner selbst nicht mehr bewusst, da die Möglichkeit von Bewusstsein Objektivität voraussetzt. Und Objektivität wiederum hat als Bedingung, eine Welt außerhalb von uns zu denken, weil wir ein Bewusstsein unserer inneren geistigen Zustände nur im Verhältnis zu äußeren Dingen haben können. Wird deren Gegenwart geleugnet, wird man kein Bewusstsein der eigenen Existenz haben können. Der obigen Frage würde jede Sinnhaftigkeit fehlen - Simulation: vielleicht ja doch, nur ohne Sinn und Wissen.

(Fortsetzung: botenmeister am 6. Juni 2024)

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