Warum setzen sich liberal gesinnte Demokraten nicht ausreichend zu Wehr? Vielleicht, weil wir allesamt in Komfortdemokratien leben.
In diesen Tagen hört man vermehrt die Verlautbarung: “Nachrichten gucke ich nicht mehr - das ist mir alles zu viel.“ Nachrichten wohlgemerkt. Hingewiesen wird auf Informationen der TV-Programme, der Radiosender, der Printmedien. Die Leute meinen nicht von den sozialen Medien verbreitete Gewaltvideos.
In einer funktionierenden Demokratie herrscht ein Gleichgewicht zwischen den Pflichten des einzelnen und den an den Staat adressierten Ansprüchen. Dieses Gleichgewicht ist aus dem Lot geraten. Denn in den Komfortdemokratien, gemeint sind hier die westlichen Demokratien, hat sich das Gewicht hin zu den Ansprüchen verschoben, während die Pflichten gleich Fällen von Demenz vergessen werden. Ansprüche werden zu Ansprüchen mit Garantiestatus erhoben. So zum Beispiel Hilfsleistungen und Investitionen in allumfassende Sicherheit, Wohlstandsausgleich bei jeder Krise, Unversehrtheit aller Art, ins Gießkannen-Prinzip allerorts.
Und es mehrt sich die Anzahl der Menschen, welche die demokratischen Freiheiten für selbstverständlich halten, diese geradezu einfordern in dekadenter Nehmerhaltung, unduldsam. Die Unverfrorenheitsskala reicht mühelos bis zu jenen, die den demokratisch verfassten Rechtsstaat ausnutzen. Sie unterstützen dann die Gegner der liberalen Demokratien, statt das freie, zivile Leben wertzuschätzen. Nicht Russlandkenner, aber Putin-Versteher gehören dazu.
In einer Demokratie - das ist ihre Stärke und das ist auch ihre Schwäche - steht das den Menschen frei. Sie können - beim Beispiel bleibend - von Methoden der Repression und autokratischen Modellen überzeugt sein und diese dann propagieren: Wort und Tat müssen nur in einem rechtstaatlichen Rahmen verbleiben.
Eine Demokratie, um bestehen zu können, braucht wehrhafte Solidarität und den Gemeinsinn der Mehrheitsgesellschaft. Das ist gemeine Pflicht, Gegenteil des Wegschauens. Die staatsbürgerliche Verpflichtung als beleidigend gefühlte Nötigung, als Zumutung aufzufassen, führt zur Wohlstandsverwahrlosung der demokratisch verwöhnten hiesigen Massen. Und symbolträchtiger Gratismut nützt niemanden.