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Wenn man vor lauter Bäume den Wald nicht mehr sieht, kann das auch die Perspektive eines einzelnen Baumes sein, der sich stets selbstbezogen betrachtet, zum Beispiel sein Wurzelgeflecht, den Blick dann schon auch beizeiten auf seine Krone richtet, nur nicht, trotz all der Baumgesellen ringsum, straight ahead geradeaus ins Gerade schaut.
Ein Leben lang bewahren Elternteile die Erinnerung an ihr, sagen wir, dreijähriges Kind, an die unbeholfene Manier und an die Unselbständigkeit. Jedoch macht es keinen Sinn, diese Erinnerung als Grundhaltung stets unveränderter Verhaltensweisen in den dann folgenden Lebensphasen zu konservieren. Die Vernunft schreitet verzweigter voran.
Der Philosoph G.W.F. Hegel glaubte im Verlauf der Geschichte eine fortschreitend ausgefächerte Vernunft zu erkennen. Auch die evolutionsbiologische Perspektive behauptet durch die Weitergabe der Gene – Versuch und Irrtum inbegriffen – unterm Strich eine Qualitätssteigerung.
Vererbte Charaktereigenschaften, die ethischen Tugenden, auch einzelne handwerklich-technische Fähigkeiten erklimmen die nächste Sprosse auf der Leiter der Alters- und aller Gewichtsklassen, hin zum Himmelreich, hin zur anvisierten glückseligen Vollkommenheit. Soweit die blank geputzte Theorie, die reine Lehre. Dem gegenüber steht die Alltagspraxis. Sie bringt die praktischen Nacken- Rück- und Ratschläge im Zeitalter des Anthropozäns hervor, try and error.
Ich lebe die Sekundärtugenden der Pünktlichkeit, der Genauigkeit, der Verlässlichkeit. Meine Ahnen, die mittelbaren und die unmittelbaren, würden sich in einer Haltung nachholender Beachtung die Augen reiben. Die feuchten Tränen einer schambesetzten Rührung würden entlang beider Wangen kullern wie ein gelbgefärbt herbstbuntes Blättermeer, welches entlang fällt einer Stammesrinde, eines strammen Baumstammes, dieser fest verwurzelt „in der Erden“. Die Fähigkeiten der Ahnen sind so nicht nur wider jedes Zutrauen und aller Befürchtungen und Ängste gewahrt und vererbt. Nein, viel besser, sie sind optimiert und perfektioniert. Ganz ehrlich gesagt, das ist nicht nur nicht zu fassen, es ist der reinste Wahnsinn.
Die mir noch nie gestellte Frage, ob ich für meine Botenmeister Texte Künstliche Intelligenz verwende, beantworte ich performativ und geradewegs mit ehrbarer Klarheit. Und mit: Ja! In welchem Umfang und auf welche Weise? Sicherlich ohne irgendein Element eines Verbrechens oder eines ähnlichen Strafverhaltens, vielmehr ein KI Modul gezielt nutzend – und das behutsam, sowie in Maßen. Motiviert, da ein leeres Blatt weißes Papier über Gebühr an meinen Nerven kratzt.
In Anbetracht, siehe oben, das Folgende, welches mich u.a. ausmacht und was mich vorteilhaft, auch gegenüber anderen ziert: Die Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Edelmut, das Streben im Geiste der Vernunft, den Ehrgeiz im Bemühen um Optimierung. Die Idee zu diesem Botenmeister habe ich beim Lesen des Zeitungsartikels „Gedankenstriche verraten ihn – Schreiben mit KI“ von Philipp Bovermann und Natalie Sablowski, Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 2. Dezember 2025 erhalten. Da auch ich überdurchschnittlich oft das Satzzeichen „Gedankenstrich“ benutze, war mein spontaner Gedanke: Strich durch die Rechnung – jetzt gerate ich aufgrund einer SZ Veröffentlichung unter Verdacht, meine Texte nicht selbständig schreiben zu können. Meine Compliance Values im Verschiss!
In veritas! Kein „weißes Papier“ zu dulden und zu akzeptieren, es schnell zu füllen mit Output – dies mein pedantischer Stimulus. Die Unterstützung für den Input bietet mir die KI. Konkret setze ich Schlüsselbegriffe wie bei einer Google Suche und stelle selbstformulierte Kurzfassungen von Gelesenem zu KI-Prompts zusammen und fordere das System dann auf, mir einen Text nicht länger als eine halbe Textseite zu generieren. Das KI-Ergebnis füllt mein leeres Blatt Papier und ich kann mit meiner „Tintenkleckerei“ beginnen: Umformulieren, Ergänzen, Assoziieren, Verknüpfen, Phantasieren, Poetisieren und ganz wichtig, innerlich überflüssige Gedanken streichen. Das Ergebnis ist menschlich, allzu menschlich und souverän: selbstbewusst, unabhängig, überlegen.
Das Wissen um meine Angst vor dem leeren „weißen Papier“, aber auch die Gewissheit, dass meine Phrasenassoziationen und Wortschöpfungen wie hier nur ein Beispiel – trotz vieler Gedankenstriche -, nämlich das triviale Wortungetüm „Steilzahnseidigster Unisex-Viskose-Stringtanga“ zeigt (→ Botenmeister vom 27.11.2025, siehe Kalender unten): Demonstrationen, die bekunden, dass keine KI der Welt etwas derart grobripp Feines wortschöpfen kann.
So erklimme ich mit der Hilfe des Kreativ-Hebels in der KI-Ära auch dank des patenten Hegel, Stufe um Stufe, Ast um Ast, das nächste Level im Stammbaum meiner Lebenswelt. Und lass‘ die Ahnen in ihrem ahnungslosen Blätterwald zurück (→ Bm vom 02.10.2025, s. Kal. u.).